art-hwr23-0Überraschend nachdenklich begann im Stadtrat am 15.07.2014 der Sachstandsbericht zum Hochwasserdamm HWR23. Angesichts der gewaltigen Dimensionen der Baustelle, die sich derzeit quer durch das einstmals liebliche Seierbachtal frisst, kamen späte Einsichten auf: So groß habe man sich das vorher nicht vorgestellt, gaben einige Anwesende zu.  Und groß - verglichen mit der umgebenden Landschaft sogar riesig -  wird der Damm auf jeden Fall.

Knapp 300 Meter lang und über sieben Meter hoch quert er das Tal unterhalb der Verbindungsstraße nach Zeckendorf. Seine gewaltige Last muss durch mindestens 7.000 Stahlbetonstützen stabilisiert werden, die vier Meter tief in den Untergrund gerammt werden. Betonbauten auf beiden Seiten des Dammes kanalisieren den Durchfluss des Seierbachs. Insgesamt soll das dabei entstehende  Rückhaltebecken 100.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen können.
Ein wirklich gigantischer Bau, dessen Dimensionen tatsächlich nachdenklich machen.

Nur: Das alles war bereits bekannt, als 2011 über das Hochwasser-Konzept entschieden wurde.  Jeder der den Bericht gelesen und die darin enthaltenen Pläne begutachtet hatte, konnte sich eine ziemlich klare Vorstellung von den Dimensionen des Dammes machen. Wir Grünen waren jedenfalls entsetzt, als wir 2013 davon erfuhren und die Unterlagen beim Wasserwirtschaftsamt einsahen, da man uns im Scheßlitzer Rathaus keine Auskunft dazu geben wollte.

Der derzeit im Bau befindliche Damm ist zudem nur der erste von vier geplanten Dämmen im Gemeindegebiet, die das Konzept vorsieht – dabei aber noch nicht einmal der größte. Der soll nämlich zwischen Ehrl und Stübig mit einer Dammhöhe von neun Metern entstehen und einen gigantischen Riegel quer durch das gesamte Tal bilden. Weitere Dammwerke sind außerdem bei Würgau und Straßgiech geplant.

Hätte es zu diesen gewaltigen Bauwerken, die viele Millionen kosten und unsere Landschaft entstellen, eine Alternative gegeben?
Wir gehen davon aus und haben darüber auch bereits letztes Jahr berichtet. Das Stichwort lautet Hochwasservermeidung statt Hochwasserfreilegung. Mögliche Maßnahmen dazu  gibt es viele: Schaffung natürlicher Gewässerverläufe mit viel Auslaufflächen, Pflege versickerungsfähiger Böden, Förderung für Regenwassernutzung und Versickerung von Regenwasser auf dem eigenen Grundstück statt der Einleitung in den nächsten Bach und vieles andere mehr .
All das wäre denkbar, wurde aber nie geprüft. Wir glauben, dass solche Maßnahmen unterm Strich zudem kostengünstiger sind als technische Hochwasserbauwerke. Naturnäher und umweltverträglicher sind sie auf jeden Fall.

Der erste Damm wird in den nächsten Monaten fertiggestellt werden und dann für mindestens hundert Jahre das Bild des Seierbachtals bestimmen. Hoffentlich haben alle Stadträte im Jahr 2011 die zeitliche Tragweite ihres Entschlusses gut bedacht. Hoffentlich werden sie das auch wieder tun, wenn über die anderen Dämme zu entscheiden sein wird. Sonst hält die nachdenkliche Einsicht vielleicht erst wieder drei Jahre später Einzug – bleiben wird sie dann allerdings bis in die Generation unserer Urenkel.

Fotos von
der Baustelle
Stand Juli 2014  
art-hwr23-1  art-hwr23-2  art-hwr23-3 
  art-hwr23-4 art-hwr23-5 art-hwr23-6

Ralph Behr
05.08.2014


art-hwr23-7Nachtrag vom November 2014

Mittlerweile steht die Baustelle seit mehreren Wochen und aus dem stolz in Beton gegossenen Fertigstellungsjahr 2014 wird nichts mehr.
Grund ist der wahrscheinlich schlampige Einbau von über 7.000 (!) Stahlbetonsäulen, die bereits in den Untergrund gerammt wurden. Diese Säulen sollen später das gesamte Gewicht des Damms tragen und zusätzlich die Last von bis zu 100.000 Kubikmetern Wasser auffangen.
Bei Qualitätsprüfungen der letzten Monate wurde festgestellt, dass etwa ein Drittel der verprobten Säulen nicht die erforderliche Festigkeit aufweisen. Das juristische Gezerre zwischen der Stadt als Auftraggeber und dem ausführenden Bauunternehmen ist in vollem Gang. Bis zur Entscheidung sind alle Arbeiten eingestellt. Mehrkosten für die Stadt sind unvermeidlich, freuen können sich dagegen die Rechtsanwälte der beiden Parteien.
Leider sind ausufernde Zeit- und Kostenpläne bei technischen Großbaustellen aller Art eher die Regel als die Ausnahme. Diese Erkenntnis und der ganze damit verbundene Ärger trifft nun auch die Stadt Scheßlitz. Eine naturnahe Lösung wäre auch deswegen die wahrscheinlich bessere Alternative gewesen.