Zum 70. Todestag von Hans und Hannelore Wurzinger
„Unauslöschlich und unvergeßlich prägte sich der Begriff Theresienstadt schon bei der Ankunft ein. Gegen das, was wir uns ausmalten, war die Wirklichkeit eine Hölle."
(Überlebender des Transportes II//25 von Nürnberg nach Theresienstadt am 10.09.1942)
Einer der 1000 Deportierten war der 9-jährige Hans Wurzinger, der zuletzt in Demmelsdorf wohnte. 1933 wurde er in Rothenburg ob der Tauber geboren. Kein gutes Geburtsjahr für einen Deutschen mit jüdischem Glauben. Bis 1938 lebten die Eltern Sigmund und Klara zusammen mit ihren Kindern noch in Rothenburg, doch spätestens ab diesem Jahr wurde das Leben dort zu unsicher und die Familie Wurzinger beschloss zu den Eltern der Frau, Max und Trude Mannheimer, ins ruhige Demmelsdorf zu ziehen.
Allerdings war für Juden spätestens 1938 die Ruhe und Beschaulichkeit auch in Scheßlitz und Umgebung zu Ende. In der Reichspogromnacht am 9.11.1938 brannten SA-Männer aus Bamberg die Demmelsdorfer Synagoge nieder. Der Feuerwehr wurde untersagt zu löschen. Heute steht das Feuerwehrhaus auf dem ehemaligen Gelände der Synagoge.
Für die Kinder, Hans damals fünf und Hannele acht Jahre alt, bestand ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr die Möglichkeit in die Schule gehen zu dürfen. Doch werden sie sich trotz dieser heftigen antisemitischen Maßnahmen in den nächsten Jahren oft an ihre Zeit in Demmelsdorf zurückerinnern.
Lediglich vier Jahre durfte die Familie in Franken bleiben. Die letzten Juden aus Demmelsdorf wurden im März 1942 ins Ghetto „Weiße Taube" nach Bamberg deportiert. Für ihren Transport nach Theresienstadt mussten sie bezahlen, auch versprach man ihnen dort einen Teil des Geldes zurückzuerstatten, was allerdings nie geschah.
1942 war für die Nationalsozialisten längst klar, dass das Ghetto Theresienstadt als Konzentrationslager zu nutzen war. Hans und seine Familie hatten die Häftlingsnummern 801 – 804, was dafür spricht, dass die Familie zu diesem Zeitpunkt wenigstens noch zusammenbleiben durfte.
Sigmund Wurzinger wird am 30.12.1943 ermordet.
Klara Wurzinger am 22.05.1943, dem 11. Geburtstag ihres Sohnes Hans.
Sigmund und Klara gehörten zu den 18.000 Menschen, die direkt in Theresienstadt umkamen.
Eine weit größere Gruppe von Menschen, 90.000, wurden von Theresienstadt in Vernichtungslager im Osten gebracht. Unter ihnen Hans und Hannelore, die am 23.10. 1944 in einem Viehtransport mit den Häftlingsnummern 833 und 855 nach Auschwitz deportiert wurden.
Insgesamt werden an diesem Tag 1.714 Personen mit diesem Zug abtransportiert. Lediglich 492 überleben den nächsten Tag. Hans und Hannelore sind nicht dabei. Sie sterben noch am Tag ihrer Ankunft in den Gaskammern von Auschwitz.
Von Hans und Hannelore finden wir nur eine kurze Information auf der Webseite von YadVashem. Es gibt keine Familienbilder, keine Bilder zur Einschulung, keine Hinterlassenschaften, keinen Eintrag auf einem Erinnerungsstein. Erinnerung ist aber das einzige, das wir tun können.
Vier Erinnerungssteine liegen auf dem Denkmal für die jüdischen Bewohner Demmelsdorfs – zur Erinnerung an Sigmund, Klara, Hannelore und Hans.
„Es geht nicht darum Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen schließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren."
Richard von Weizäcker, ehemaliger Bundespräsident
Julia Behr
02.08.2014