art-energie-denkmalschutzIm Landkreis Bamberg mit seiner hohen Dichte an Baudenkmälern (rund 2400 Einzeldenkmäler in der Denkmalliste), mit landschaftsprägenden Burgen, Kirchen und Ortsbildern ist Denkmal- und Landschaftsschutz bei der Errichtung von Windkraft-, Photovoltaik- sowie Biogasanlagen nicht eine Frage des Ob, sondern des Wie. Im Raum Scheßlitz haben sich Landschaft und Natur in den letzten Jahren deutlich verändert: Im Blickfeld von Giechburg und Gügel drehen sich Windräder, auf den Dächern der historischen Ortskerne blitzen Solarmodule und in manchem Dorf grüßt nicht mehr der Kirchturm, sondern die Biogasanlage den Besucher.

Wir wollen die Energiewende. Und wir wollen sie schnell. In Oberfranken wie bayernweit steht der Einsatz von Photovoltaik und Biomasse an der Spitze der regenerativen Energien, während die Anzahl der hoch effektiven Windkraftanlagen im Hinblick auf die windhöffigen Gebiete noch deutlich ausbaufähig ist. Also weitere „Verspargelung", „Verspiegelung" und „Vermaisung" unserer Region? Fortschritt und Innovation müssen nicht bedeuten, Tradition und Identität voreilig zu opfern: Wir können jetzt bereits die erste Bilanz aus der Energiewende von 2011 ziehen sowie aus Erfahrungen lernen. Schon sind die ersten Planungsgrundlagen überholt und neue Handreichungen und Richtlinien von Denkmal-, Landschafts- und Naturschützern in der Diskussion, ist der Begriff der „Kulturlandschaft" in aller Munde. Unser Gemeindegebiet ist eine solche Kulturlandschaft: Am Rande des Albtraufs, am Beginn des Landschaftsschutzgebiets „Fränkische Schweiz – Veldensteiner Forst" liegt Scheßlitz mit seiner Altstadt und dem weithin sichtbaren Turm der Kilianskirche, umgeben von charakteristischen Bachzeilen- und Straßendörfern, von Landschlössern und dominiert von den Landmarken Giechburg und Gügel. Diese Landschaft mit ihrer Bebauung ist historisch gewachsen und geht auf eine lange Siedlungsgeschichte zurück.

Das Schaubild des Energie-Atlas Bayern zeigt die Reihe der landschaftsprägenden Denkmäler (schwarze Markierung) und die hohe Dichte an Baudenkmälern (rosa) sowie Bodendenkmälern (rot). Der grün gekennzeichnete Bereich ist Landschaftsschutzgebiet.

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Die achtsame Weiterentwicklung dieser Kulturlandschaft ist die verantwortungsvolle Aufgabe der Behörden, der Kommunen und der Bürgerschaft. Bei der Verhandlung neuer Standorte großer Flächenanlagen ebenso wie beim Bau privater Anlagen können wir Einfluss nehmen und im Sinne unserer Kulturlandschaft verantwortungsbewusst und nachhaltig handeln:
Windkraftanlagen können aufgrund ihrer technischen Gestalt und Höhe (200m), besonders an exponierten Stellen (Kuppen/ Höhenrücken), die Silhouette der Landschaft empfindlich verändern, Landmarken entwerten und Sichtachsen stören. Windhöffigkeit darf nicht alleine standortentscheidend sein. Hier ist die kommunale Bauleitplanung häufig überfordert bzw. durch kommerziell-fiskalpolitische Überlegungen in ihrer Entscheidung beeinflusst.
Freiflächen-Solaranlagen verändern das Landschaftsbild ebenfalls stark. Bei der Standortwahl sollte der Fokus auf bereits belasteten Flächen oder Verkehrswegen liegen. Auch hier sollten jedoch unbedingt Sichtachsen zu landschaftsprägenden Denkmälern oder ortsbildprägenden Baudenkmälern frei bleiben. Für die Errichtung von privaten Solaranlagen auf Dächern in der Nähe von Baudenkmälern empfiehlt das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Nutzung von Nebengebäuden oder Gebäudepartien, die vom öffentlichen Raum aus nicht einsehbar sind. Auch auf Baudenkmälern selbst können Solarmodule installiert werden, um eine zeitgemäße Nutzung zu ermöglichen – ausgenommen sind Kirchen, Burgen und Schlösser (www.blfd.bayern.de).

Bei der Errichtung von Biogas-Anlagen in der Nähe von orts- oder landschaftsbildprägenden Gebäuden sollte die Raumwirkung des Baudenkmals nicht geschmälert werden bzw. die Ortsansicht nicht dominiert werden. Biogasanlagen sollten nach Möglichkeit durch Anpflanzungen kaschiert, in Senken errichtet oder eingetieft werden. Zusätzlich sind Biogasanlagen aufgrund des hohen Verbrauchs an landwirtschaftlicher Fläche für die Energiepflanzen als kritisch zu betrachten.

Die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt erarbeitete „Gebietskulisse Windkraft" berücksichtigt Umwelt-Fachdaten aus 47 Themenbereichen, vernachlässigt allerdings Sicht- oder Landschaftsanalysen, so dass die vorgeprüften Standorte noch nicht hinsichtlich ihrer Eignung innerhalb einer Kulturlandschaft qualifiziert sind! An dieser Stelle setzt der „Greifswalder Appell" zur Beachtung der Denkmalwerte in der Landschaft bei der Errichtung neuer Photovoltaik- und Windkraftanlagen an.

Lesenswert dazu ist der Vortrag von Dr. Thomas Gunzelmann, BLfD, Schloss Seehof (www.thomas-gunzelmann.net). Grundsätzlich gilt: Aufgrund der Individualität von Kulturlandschaften sind pauschale Abstandsregelungen nur wenig sinnvoll, möchte man die Errichtung von Windkraftanlagen nicht unnötig behindern.

Dr. Birgit Kastner
27.11.2013